Interesse wecken, Selbstbestimmung fördern und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. In Desiree Schröckers Arbeitsalltag geht es darum, junge Frauen und Mädchen bei ihrer Berufswahl zu unterstützen. Dabei war aber nicht immer klar, dass sie einmal im sozialen Bereich arbeiten wird. Umso glücklicher ist sie beim Verein sprungbrett, jungen Frauen mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können.
Das große Bild eines Karussells ziert die Wand in Desiree Schröckers Beratungszimmer. Die Sonne scheint in den Raum und eine riesige Pflanze sorgt für einen Hauch Natur mitten im Großstadtdschungel. Von draußen hört man das bunte Treiben auf der Straße. Dass Desiree Schröcker einmal beim Verein sprungbrett arbeiten würde, hat sie vor einem Jahr noch nicht gewusst. Von einem Agenturjob ist sie sozusagen zum sprungbrett „gehüpft", wie sie es selbst beschreibt. Seit letztem August hilft sie jungen Frauen und Mädchen bei der Berufsorientierung und unterstützt beim Projekt youngFIT junge Frauen, die eine Lehrausbildung in Handwerk und Technik suchen. Als Betriebsarbeiterin ist sie dabei die Schnittstelle zwischen Unternehmen und den stellensuchenden Frauen. Den Bewerbungsprozess begleiten, Unternehmen anrufen, auf die FIT-Förderung aufmerksam machen und nach dem aktuellen Status erkundigen, ist dabei nur ein Teil ihres Arbeitsalltages. „Wir sensibilisieren auch Unternehmen, Frauen in Berufen auszubilden, die für die Mehrheitsgesellschaft eher untypische Frauenberufe sind", klärt die engagierte Vorarlbergerin auf. Dazu zählen Berufe wie KFZ-TechnikerIn und IT-TechnikerIn, wo der Frauenanteil noch gering ist.
„Mein Alltag ist sehr abwechslungsreich, einerseits arbeite ich mit den Mädchen, die ich betreue und mit denen ich Orientierungsgespräche führe, andererseits aber auch mit Unternehmen, die oft unglaublich engagiert sind. Ich habe in dem Jahr sehr engagierte Leute kennengelernt, die so viel Energie in die Ausbildung investieren und sich überlegen, was sie diesen jungen Menschen mitgeben können, damit sie gefestigt im Leben stehen. Das ist wirklich toll", erzählt Desiree Schröcker begeistert. Mit jedem Wort spürt man die Leidenschaft und die Überzeugung, mit der sie ihren Beruf ausübt. Sie freut sich besonders, wenn sie selbst in ganz neue Bereiche schnuppern kann und neue Dinge erlebt. Beispielsweise bei einem Kooperationspartner einen LKW zu fahren oder ein Cockpit von innen zu sehen. „Das ist immer noch sehr aufregend für mich."
Neben ihrer Tätigkeit in der Beratung von jungen Frauen ist sie auch Teil des Projektleitungsteams des Studienorientierungsprogramms FIT Wien-Niederösterreich-Burgenland. Hier arbeitet Desiree Schröcker eng mit Universitäten und Schulen zusammen und plant Schulbesuche mit so genannten Botschafterinnen. Botschafterinnen sind Frauen, die ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium absolvieren und ihr Wissen teilen wollen. „Unsere Botschafterinnen versuchen, bei den Schulbesuchen andere junge Frauen zu motivieren, auch ein solches Studium zu ergreifen beziehungswiese sensibilisieren sie dafür, was es alles gibt", klärt die Betriebsarbeiterin auf. Jungen Frauen ihre Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, damit sie den für sie richtigen Weg einschlagen können, ist dabei eines der Hauptziele der Arbeit von Desiree Schröcker. Denn nur wer seine Möglichkeiten kennt, kann nachhaltige Entscheidungen treffen.
So abwechslungsreich ihr Berufsalltag ist, so unterschiedlich sind auch die jungen Frauen und Mädchen, die zu ihr kommen. „Manche haben eine ganz genaue Vorstellung, wo es hingehen soll. Man kriegt auch stark mit, wie sehr das Umfeld dazu beiträgt, ob man sich für bestimmte Lebenswege entscheidet oder nicht. Manche junge Frauen sagen, sobald sie volljährig sind, es ist mir egal, was meine Eltern sagen, ich möchte jetzt die KFZ-TechnikerIn-Lehre machen", erzählt die Beraterin bewundernd. Dabei geht es in der Arbeit von sprungbrett darum, die jungen Frauen in ihren Entscheidungen zu bestärken und einen Raum und eine Gruppendynamik zu schaffen, in der sie sich wohl fühlen und sich trauen, Fragen zu stellen und sich zu entfalten. Besonders in Erinnerung ist Desiree Schröcker ihre erste Klientin geblieben. Eine junge afghanische Frau, die mit aller Kraft daran gearbeitet hat, die Ausbildung zur technischen Zeichnerin zu machen. „Der kulturelle Kontext hat auch oft Einfluss darauf, inwieweit junge Frauen ihre eigenen Wünsche durchsetzen können. Mädchen, die da wirklich so selbstbestimmt sagen: ‚Ich mach das, egal wie viele Diskussionen ich führen muss' sind ermutigende Beispiele. Da freut man sich mit, wenn es dann klappt." Und das hat es. Solche Erlebnisse geben Desiree Schröcker Kraft und motivieren sie zusätzlich.
Als die junge Vorarlbergerin vor neun Jahren nach Wien gezogen ist, ahnte sie noch nicht wo ihr beruflicher Weg sie einmal hinführen würde. Ein Sommerpraktikum hat die Liebe zu der Stadt entfacht und so ging es nach dem Abschluss der Tourismusschule zum Studieren nach Wien. Nach einiger Zeit bei einer Agentur war es aber Zeit für etwas Neues. „Ich war auf der Suche nach etwas Erfüllenderem. Ich war immer schon feministisch interessiert und bei der Jobsuche bin ich dann auf diese Stelle aufmerksam geworden. Ich war sofort begeistert, weil ich privates Interesse mit meinem Beruf vereinen kann. So bin ich hier gelandet und ich habe den Schritt keine Sekunde bereut", sagt Desiree Schröcker lachend. Jetzt begleitet sie junge Frauen fünf Wochen lang in der „youngFIT-Perspektivenerweiterung", wie sie hier beim sprungbrett genannt wird. Danach können diese beim Kooperationspartner Mentor in die Basisqualifizierung einsteigen, wo sie klassische Schulfächer wie Mathematik, Deutsch oder andere Fächer vertiefen können. Manche Frauen melden sich auch nach den fünf Wochen noch und bleiben in Kontakt. „Wenn die Mädels anrufen und glücklich sind und sich tausend Mal bedanken, dann ist das sehr herzerwärmend. Man gibt sehr viel, bekommt aber auch viel zurück. Das macht dann die Fälle einfacher, wo ein Mädchen nicht zum Schnupperpraktikum auftaucht", klärt Desiree Schröcker auf.
In ihrer Arbeit ist der Betriebsarbeiterin besonders wichtig, ein Bewusstsein zu schaffen, dass es auch in Ordnung ist, seinen Beruf zu wechseln und in einen komplett neuen Bereich zu wechseln. Sie selbst hat es erfolgreich vorgemacht. Dabei hält sie es für essentiell, sich zu fragen: Was sind meine Interessen? Was zeichnet mich aus? Wo möchte ich einmal gar nicht hin? Sie will zudem Frauen ermutigen die Angebote, die Beratungseinrichtungen anbieten, anzunehmen. Frauen, die einen Spartenwechsel planen, rät sie deswegen: „Einfach ausprobieren. Ich glaube, was solche Einrichtungen auszeichnet, ist, dass sie einem den letzten kleinen Schubs, den man benötigt, geben können, dass man sich traut. Wenn man eine Anlaufstelle hat, die einem ganz unvoreingenommen zuhört und Wege zeigt, wie es möglich ist, ist das sehr hilfreich." Wenn Desiree Schröcker über ihren Job spricht, merkt man, dass er für sie viel mehr als nur das ist. Anderen Frauen zu helfen, ihre Handlungsmöglichkeiten zu kennen, zu helfen, Entscheidungen zu treffen, und die nötigen Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, um ihr Leben in die Hand zu nehmen, ist dabei der Motor ihrer Arbeit. „Wir wollen die Vielfalt an Möglichkeiten aufzeigen. Wenn ein Mädchen sagt, sie will trotzdem Kosmetikerin werden, ist das voll okay, und ich würde sie nie überreden, trotzdem technische Zeichnerin zu werden. Nie im Leben - das hat ja dann keinen Wert, weil der Job dich ja glücklich machen soll. Ich finde aber, es muss im heutigen Zeitalter gegeben sein, dass jedem – egal welches Alters, welchen Geschlechts oder welcher Herkunft – alle Möglichkeiten offenstehen. Da muss Rosa-Blau-Schubladen-Denken aufhören." Dafür setzt sie sich ein - jeden Tag auf's Neue.